
Einrichtungsleiterin Astrid Thiele-Jerome zu Gast beim Bundespräsidenten – Austausch über die Lehren aus der Corona-Pandemie
Ziemlich genau vor fünf Jahren, am 16. März 2020, wurde der erste Corona-Lockdown beschlossen. Wenige Tage vorher hatte die Weltgesundheitsorganisation Covid-19 zur Pandemie erklärt.
Fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie empfing Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Gäste aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen im Schloss Bellevue, um über die langfristigen Auswirkungen und Erkenntnisse dieser außergewöhnlichen Zeit zu sprechen. Mit dabei: Astrid Thiele-Jerome, Einrichtungsleiterin des Seniorenheims St. Josef in Wadersloh.
Bereits im September 2020, als die ersten Monate der Pandemie überstanden waren, nahm sie in Münster an einer Gesprächsrunde mit dem Bundespräsidenten zur Corona-Krise teil. Nun folgte die erneute Einladung – ein Zeichen dafür, dass die Erfahrungen aus dieser Zeit auch heute noch von großer Bedeutung sind und aufgearbeitet werden müssen.
Einladung ins Schloss Bellevue
„Ich war sehr überrascht, als ich die Einladung aus dem Bundespräsidialamt erhielt“, erzählt Astrid Thiele-Jerome. „Es ist toll, dass man sich dort noch an unser Treffen in der Pandemie erinnert und jetzt hören möchte, wie sich die Situation bei uns damals weiterentwickelt hat.“ Am 14. März 2025 reiste sie nach Berlin, um an der Gesprächsrunde „Fünf Jahre nach dem Beginn der Covid-19-Pandemie: Was wirkt nach? Was haben wir gelernt?“ teilzunehmen.
Der Empfang im Schloss Bellevue war für sie ein besonderes Erlebnis: „Schon der Einlass war spannend – mit Sicherheitskontrollen wie am Flughafen. Anschließend wurden wir über eine riesige Treppe in das Schloss geführt, wo wir uns ins Gästebuch eintragen durften. Bevor die Gesprächsrunde begann, wurde noch ein gemeinsames Foto mit dem Bundespräsidenten vor der offiziellen Standarte gemacht.“
Auch der Raum, in dem das anschließende Gespräch stattfand, sei beeindruckend gewesen. In Münster vor fünf Jahren wäre alles viel kleiner und gemütlicher gewesen. „Der Raum, in dem wir jetzt saßen, war viel größer und es standen unheimlich viele Mitarbeitenden, Journalisten und Menschen mit Kameras herum. Wenn man bisher noch nicht aufgeregt gewesen wäre, wäre man es spätestens hier geworden.“
Rückblick auf eine herausfordernde Zeit
Während der Gesprächsrunde tauschten sich zehn Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen über ihre Erfahrungen in der Pandemie aus. Astrid Thiele-Jerome sprach über die Herausforderungen in der Seniorenhilfe.
„Am Anfang lief alles noch unstrukturiert – niemand war auf eine Pandemie vorbereitet“, erinnert sie sich. „Aber wir haben schnell improvisiert, Schutzmasken organisiert und neue Wege gefunden, um unsere Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen. Wir waren dann damals auch sehr froh, als uns die Bundeswehrsoldaten unterstützt und entlastet haben.“ Als die zweite Welle im November 2020 das Seniorenzentrum besonders hart traf, wurde eine Isolationsstation eingerichtet, Mitarbeitende arbeiteten in Zwölfstundenschichten – oft noch länger. „Das alles ging nur durch die unglaublich große Solidarität unter den Mitarbeitenden und natürlich auch durch die der Angehörigen der Mitarbeitenden, die dann ja zuhause die Mehrbelastungen auffangen mussten. Der Zusammenhalt in dieser Zeit war einfach unglaublich“, betont sie.
Besonders emotional waren die Situationen, in denen Bewohnerinnen und Bewohner verstarben. „Unsere Mitarbeitenden fragten sich: Wenn wir mit Schutzkleidung zu den Verstorbenen dürfen, warum dann nicht auch die Angehörigen? Also haben wir Wege gefunden, Abschiede trotz aller Schutzmaßnahmen zu ermöglichen. So haben wir unter schwierigen Bedingungen versucht, die Werte, die wir haben, doch noch irgendwie aufrechtzuerhalten.“
Blick in die Zukunft
Im Anschluss an die offizielle Gesprächsrunde gab es noch die Möglichkeit zu informellen Gesprächen mit dem Bundespräsidenten. „Diese Runde war besonders wertvoll“, berichtet Astrid Thiele-Jerome. „Wir haben zusammen an einem Stehtisch gestanden und nicht nur über Corona gesprochen, sondern auch über den Fachkräftemangel in der Pflege und die Gewinnung internationaler Fachkräfte.“
Ein besonderes Anliegen brachte sie ebenfalls zur Sprache: „Wir wünschen uns eine positivere Berichterstattung über den Pflegeberuf. Es ist eine unglaublich sinnstiftende und vielseitige Arbeit – das sollte in den Medien besser vermittelt werden, um mehr Menschen für diesen Beruf zu begeistern.“
Für Astrid Thiele-Jerome war die Begegnung mit Frank-Walter Steinmeier eine große Ehre: „Der Bundespräsident ist wirklich ein ganz toller Mensch. Er ist sehr freundlich und man hat immer das Gefühl, dass er sehr genau zuhört und sehr viel aus den Gesprächen mitnimmt. Ich bin deshalb wirklich zuversichtlich, dass unsere Anregungen in die weitere Aufarbeitung der Pandemie einfließen werden.“