Anlässlich des Weltalzheimertags 2014 hatten unsere Gemeindemitglieder die Gelegenheit, sich folgende Statio im Gemeindegottesdienst anzuhören:
Verehrte Anwesende,
wenn man einen Gottesdienst besucht, dann sicherlich aus vielen Gründen:
man möchte einfach nur beten,
man hat ein Anliegen, über das man nachdenken möchte und es Gott vortragen,
man benötigt Kraft für die Entscheidungen des Alltags
und vieles mehr.
Ich bin sehr dankbar, dass ich Ihnen heute einen ganz bestimmten Bereich des Alltags, aber auch unserer Zukunft näher bringen darf.
Wir alle werden älter. Das ist gewiss. Wir werden auch erleben, dass viele von uns von einer Pflegebedürftigkeit betroffen sein werden. Da tut es erst einmal gut, wenn man in der Öffentlichkeit einen TAG findet, der sich einem großen Teil dieser Problematik annimmt.
Heute hören wir im Evangelium das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Im Weinberg gibt es viele Arbeiter – und auch sehr viele Aufgaben. Auf einer der heutigen Aufgaben und Arbeiten will der Welt–Alzheimertag aufmerksam machen. Mit dem diesjährigen Leitwort „Demenz – jeder kann etwas tun“ werden wir sozusagen aufgefordert; mach mit, denk nach, schau, was in deiner Umgebung los ist – oder im Sinne des heutigen Evangeliums: Komm in den Weinberg zum arbeiten ….
Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen fühlen sich oft allein gelassen. Sie machen die Erfahrung, dass sich Freunde zurückziehen, oder dass die Menschen die Straßenseite wechseln. Da tut es gut, wenn die Nachbarin stehen bleibt und sich ein paar Minuten Zeit nimmt. Wenn Freunde spontan mit einem Kuchen vorbeikommen und auf eine Tasse Kaffee bleiben. Wenn der Chor das demenzkranke Mitglied nicht ausschließt, sondern anbietet, es abzuholen. Oder später einmal im Seniorenheim zu besuchen…
Auch in den Seniorenheimen ist die Demenz nicht immer einfach. Das Zusammenleben von Bewohnern mit und ohne Demenz stellt beide Seiten vor große Herausforderungen.
Jeder kann etwas tun!
Ob ehrenamtlich oder hauptamtlich, ob groß oder klein, ob als guter Bekannter oder als Verkäuferin im Supermarkt.
Es sind die kleinen Gesten, die den Alltag erleichtern.
Und was habe ich damit zu tun? In meiner Familie sind doch alle noch gesund. Wie lange noch?
In Deutschland leben derzeit 1,5 Millionen an Demenz erkrankte Menschen. Jährlich treten mehr als 300.000 Neuerkrankungen auf. Die häufigste Ursache einer Demenz ist die Alzheimer-Krankheit (2/3), gefolgt von Schädigungen der Blutgefäße im Gehirn – das nennt man vaskuläre Demenz.
In der Altersgruppe 65-69 Jahre sind etwa 1% betroffen. In der Altersgruppe über 90 Jahre sind es schon 40%. Zwei Drittel der Erkrankten haben das 80. Lebensjahr vollendet, 70% der Erkrankten sind Frauen – das hat auch mit der höheren Lebenserwartung der Frauen zu tun.
Eine Demenz kann nicht geheilt werden. Man kann von einer Krankheitsdauer von 3 bis 6 Jahren ausgehen. Sie verkürzt somit die verbleibende Lebenszeit.
Das Risiko an einer Demenz zu erkranken hängt stark von der individuellen Lebenserwartung ab. Von den Männern, die ein Alter von 65 Jahren erreichen, erkrankt fast jeder dritte an einer Demenz, von den Frauen sogar jede zweite.
Oh ja, wenn ich mir die Statistik anschaue, weiß ich, dass ich in meinem familiären Umfeld davon betroffen sein werde. Und sicherlich sind von Ihnen viele betroffen oder werden es noch sein.
Der richtige Umgang mit den erkrankten Menschen ist das A und O – das sagt uns jeder Fachmann und jede Fachfrau. Was ist der richtige Umgang?
Im fünften Gebot hören wir: „Du sollst Vater und Mutter ehren“.
Ganz ehrlich: Wenn ein Elternteil an Demenz erkrankt ist, ständig das Gleiche fragt, unsinnige Dinge tut und mich nicht mehr erkennt …..
Im Kinofilm mag das alles ja noch irgendwie rührig, bisweilen lustig rüberkommen. Aber in der Wirklichkeit sieht das ganz anders aus.
Vater und Mutter ehren – und wo bleibe ich da? Genau darin liegt schon die Antwort:
Ich muss ein Umfeld schaffen, in dem sich der erkrankte Mensch sicher fühlen und wohl fühlen kann. Ich muss sicher sein, dass er mit allem gut versorgt ist, was er in seiner besonderen Situation benötigt. Das sieht dann für jeden Menschen anders aus. Ich muss dafür sorgen, dass der „vergessende Mensch“ in seiner Welt, in der er sich gerade befindet, ernst genommen wird. Ich muss Hilfsmittel ver- und anwenden, die dem erkrankten Menschen die alltägliche Situation erträglich machen. Ich muss dafür sorgen, dass der demenzerkrankte Mensch sich frei fühlen und dennoch sicher ist. Ich darf ihn nicht seiner Freiheit berauben, „den Schlüssel rum drehen“ zu seiner Sicherheit.
Es gibt sehr starke Menschen, die ihre Angehörigen wirklich gut zu Hause versorgen können. Man kann sich dann auch von einem ambulanten Pflegedienst unterstützen lassen – in Wadersloh macht das die CEMM. Es gibt immer wieder Informationsveranstaltungen, z.B. vom Seniorennetzwerk in Wadersloh. Eine Tagesbetreuung in direkter Nachbarschaft „Kum män rin“ bietet Entlastung. Der Menüservice des Seniorenheim St. Josef unterstützt bei der ausgewogenen Ernährung. Kurzzeitpflege kann auch im Seniorenheim St. Josef genutzt werden. Und wenn es dann gar nicht mehr zu Hause geht, kann die vollstationäre Pflege genutzt werden – und die ist hier in Wadersloh richtig gut.
Ich kann also nicht auf ein Wunder warten: Nein, da müssen wir uns schon selber auf die Socken machen und herausfinden, was für unseren Angehörigen und auch für uns das Richtige ist. Und wenn ich das mache, dann ehre ich meine Eltern, meine Mitmenschen. Dann sorge ich für ein passgenaues und gutes Umfeld.
Ich brauche also keine Angst vor dem Alter haben. Wir haben ein gutes Netzt um uns herum. Wir müssen uns nur trauen es zu nutzen, nachzufragen und mit anderen Menschen über unsere Situation sprechen: Bekanntlich ist geteiltes Leid halbes Leid.
Schau‘n Sie mal genau hin: Jeder kann was tun – auch Du und ich – und jeder auf seine Weise. Jeder kann in dem Weinberg des Herrn mitarbeiten. Wir werden es kaum glauben, er hält unzählige Aufgaben für uns bereit.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute eine gute und kraftspendende Andacht, für die Zukunft Gesundheit, und einen informativen Welt-Alzheimertag 2014.
Andreas Wedeking, Einrichtungsleiter