„Ziel muss es sein, freiheitsentziehende Maßnahmen als übliche Pflegepraxis abzuschaffen“, erklärte Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP), anlässlich einer Fachtagung mit dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) zum Thema „Pflege ohne Zwang“. Gleichzeitig warnte Suhr aber vor einer zu starken Skandalisierung des Themas, welches laut ZQP eine Größendimension von jährlich 85.000 richterlich genehmigten Maßnahmen habe.
Wer kennt sie nicht, die schauerlichen Berichte über Senioren, die in ihren Betten festgebunden sind, damit nichts passieren kann…
Da ist die Devise „Was du nicht willst, was man dir tut, füg‘ auch keinem andren zu“, genau der richtige Maßstab. So haben wir in St. Josef überlegt, was wir für die Sicherheit unserer Bewohner/innen tun können, ohne sie mit den altbekannten Maßnahmen ihrer Bewegungsfreiheit zu berauben.
Eigentlich ganz einfach: Investieren! Und zwar in Sicherungsmaßnahmen, die nicht refinanziert sind! Jedes Zimmer in unserem Haus ist mit Niedrigfloorbetten ausgestattet. Das Bett kann so niedrig gefahren werden, das bei einer heraus rollenden Bewohnerin bzw. einem heraus rollenden Bewohner keine Knochenbrüche passieren. Das macht die Anwendung eines Bauchgurtes überflüssig. Zur Verrichtung notwendiger Pflegemaßnahmen kann das Bett in die geeignete Position hochgefahren werden. Ferner haben wir technische Hilfsmittel wie Klingelmatten oder Bewegungsmelder im Einsatz. Setze ich meinen Fuß auf die Klingelmatte, die wie ein Bettvorleger vor einem Bett liegt, wird ein Klingelzeichen auf die Rufanlage im Haus geschaltet. Die Nachtwache kann dann direkt zur Bewohnerin oder zum Bewohner gehen, und schauen, wie weitergeholfen werden kann. Der in der Nacht unsichere Bewohner muss sich somit nicht unnötig alleine im Zimmer, z.B. zur Toilette bewegen, Stürze können so vermieden werden. Nach dem gleichen Prinzip arbeitet der Bewegungsmelder. Dieses Gerät findet bei nachtaktiven Bewohnern Anwendung. So können die Nachtschwestern diese Bewohner sinnvoll beschäftigen und auch wieder zu Bett bringen.
Dr. Ralf Suhr will keine Kriminalisierung der Pflegeeinrichtungen. Er fordert den Austausch über unangemessene Maßnahmen und will Konzepte zur Vermeidung von Fixierungen fördern. Dr. Michael Wunder, Mitglied im Deutschen Ethikrat, bringt das Thema auf einen Punkt, wenn er sagt: „Verhalte Dich so, begleite so, helfe so, pflege so, wie Du willst, dass Dir in einer vergleichbaren Situation geholfen wird und wie Du begleitet und gepflegt werden willst“. Das, so Wunder weiter, könne als Bewertungsmaßstab für das eigene Verhalten, wie auch das Verhalten als Unternehmen und für die erbrachte Leistung gelten.
Unsere Ergebnisse sprechen für sich: keine Fixierungen und erheblich weniger Stürze. Diese Maßnahmen haben nicht nur das Wohlbefinden unserer Bewohner erhöht, sonder auch das der pflegenden Mitarbeiter. Sie fühlen sich sicher, weil sie alles mitbekommen und sofort reagieren können. Außerdem ist es ein gutes Arbeitsgefühl, zu wissen, dass man den Bewohnern große Sicherheit mit großer Freiheit bieten kann. Als Unternehmen freut es uns, dass wir die Investitionen an der richtigen Stelle eingesetzt haben.
Quelle des Textes in kursiv: Newsletter der sc Presse-Agentur Nr. 18/2013, Michael Schulz, Kleinmachnow